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01.02.2006 "Auch wenn der Hals dreckig ist"
SÜDKURIER-Interview mit dem gelähmten Ex-Motocross-Fahrer Pit Beirer aus Ludwigshafen

"Ab heute beginnt mein neues Leben." Gerade mal zehn Tage waren seit dem schweren Unfall beim WM-Rennen in Bulgarien am 8. Juni 2003 vergangen, da meldete sich der Motocross-Fahrer Pit Beirer mit diesen Worten bei seinen Fans zurück. Wie dieses Leben heute aussieht, verriet der vom sechsten Brustwirbel an abwärts gelähmte Ludwigshafener im SÜDKURIER-Interview.

Herr Beirer, wie geht es Ihnen gesundheitlich?

Es geht mir sehr gut. Ich habe wieder einen sehr hohen Lebensstandard erreicht und fühle mich wohl. Na gut, manchmal muss ich halt ein wenig bremsen, weil mein Körper früher an der Grenze ist als vor dem Unfall. Das ärgert mich schon. Eine normale Grippe schwächt mich so, dass der Kreislauf in den Keller geht, und dann fühle ich mich wirklich nicht prächtig.

Was machen Sie zur Zeit beruflich?

Ich bin beim Österreichischen Motorrad-Hersteller KTM in Mattighofen verantwortlich für das Sportmarketing. Wir haben mittlerweile 40 Werksfahrer, die demnächst die neue Saison fast gleichzeitig auf allen Kontinenten der Erde starten. Dieses gigantische Programm können wir nur mit starken Partnern und Sponsoren stemmen, deren Betreuung ein Teil meiner Arbeit darstellt.

Vom Motorsport können Sie sich wohl nie ganz trennen, oder?

Vom Motorsport trennen? Nie! Schließlich hat dieser Sport mein Leben geprägt, seit ich sieben Jahre alt bin. Trotz meines schweren Unfalls habe ich dem Motorsport sehr viel zu verdanken. Die Persönlichkeit Pit Beirer und die tollen Berufsmöglichkeiten, die sich mir heute bieten, habe ich durch diesen Sport erreicht. Auch wenn ich nach erst zwei Jahren im Berufsleben noch ein Greenhorn bin und sicherlich noch einiges dazu lernen muss.

Wie sind die Aussichten, eines Tages wieder gehen zu können?

Die Hoffnung stirbt zuletzt! Mit der Stiftung Wings for life' machen wir - allen voran Heinz Kinigadner (Beirers Freund und KTM-Sportmanager, Anm. der. Red.) - ganz schön Wirbel in der Szene. Fachleute in der Rückenmarksforschung tauschen hier weltweit Informationen aus. Es wird nicht mehr einfach hingenommen, dass man das Rückenmark nicht reparieren kann, sondern es wird wieder aktiv daran gearbeitet. Es wäre natürlich nicht schlecht, wenn da mal jemand ein Überbrückungskabel für Rückenmark entwickeln würde. Bis es soweit ist, habe ich mir vorgenommen zu leben und meine Zeit nicht mit grübeln zu verbringen.

Was war für Sie persönlich die größte Umstellung nach Ihrem Unfall?

Das war ja nicht nur die Umstellung, nicht mehr laufen zu können. Mein ganzes Leben hat sich geändert: Vom Profisport zurück ins Berufsleben, als Weltenbummler wieder einen festen Wohnsitz finden - und dann eben das Thema Rollstuhl. Die größte Umstellung ist aber, dass ich immer irgendwo warten muss, weil ich fremde Hilfe brauche. In Barcelona saß ich im Flugzeug und habe über eine Stunde auf den Service gewartet, der mich aus dem Flugzeug bringen sollte. Ich hab alle spanischen Schimpfwörter herausgekramt, die ich kannte. Hat aber nichts genutzt. Dadurch hab ich den Anschlussflug nach München verpasst. Geduld war früher schon nicht meine Stärke, jetzt wird sie aber ab und zu überstrapaziert.

Haben Sie das, was Ihnen bei Ihrem Unfall widerfahren ist, akzeptiert?

Akzeptiert habe ich meinen Unfall, als ich in Bulgarien auf dem Boden aufgeschlagen bin. Ich habe akzeptiert, dass man die Fakten nicht ändern kann und versuche, wieder das Beste heraus zu holen. Als in der Intensivstation in Murnau die Psychologen zu mir kamen, war das Thema für mich schon durch. Da habe ich mit den Infusionsbeuteln angefangen, meine Arme wieder zu trainieren.

Was und wer hat Ihnen in dieser Zeit geholfen?

Am meisten geholfen hat mir der starke Rückhalt meiner Familie und der Gedanke, eine kleine Tochter zu haben, die ihren Vater zu Hause braucht. Das war sicherlich eine besondere Motivation.

 Wie geht's denn dem Nachwuchs?

Ich habe in Bayern, in Simbach an der Österreichischen Grenze, einen schönen Platz für meine Familie gefunden. Auch meiner kleinen Tochter geht es dort sehr gut. Im Sommer hat sie Radfahren gelernt, vergangene Woche hat sie die ersten Rutschversuche auf Skiern gemacht. Das sind dann die schönen Momente, wo auch für mich der Motorsport keine Rolle spielt.

Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie vom Tod des KTM-Piloten Caldecott bei der Rallye Dakar hörten? Haben Sie ihn gekannt?

Ich habe Ihn persönlich gekannt und war geschockt, wie alle anderen bei KTM. Er hat Frau und Kind zu Hause und hat sein Leben bei diesem Wüstenabenteuer gelassen.

Ist der Motorsport wirklich dieses Risiko wert?

Jeder, der Motorsport betreibt, weiß, wie gefährlich das sein kann. Aber normalerweise kennt man im Rennsport die Strecke Stein für Stein auswendig und kann sein Risiko einigermaßen kalkulieren. Normalerweise. Dass das nicht immer funktioniert, hat mein Unfall gezeigt. Bei der Rallye Dakar ist das Risiko völlig unkalkulierbar, daher sind diese Unfälle ein Teil davon - und werden es auch bleiben. Ich bin dagegen, dass unsere Fahrer an dieser Rallye teilnehmen.

Treiben Sie noch Sport?

Ich habe zu Hause ein eigenes Fitness-Studio, wo ich zweimal die Woche eine Stunde mit einem Physiotherapeuten trainiere. Zusätzlich versuche ich noch alleine oder mit meinen Kumpels zu trainieren. Mein Handbike habe ich im Winter auf der Rolle stehen und sobald es etwas wärmer wird, bin ich mit dem Rad wieder draußen. Schwimmen macht mir noch sehr viel Spaß, weil es ohne irgendwelche Hilfsmittel funktioniert. Früher hab ich für 1000 Meter 20 Minuten gebraucht, jetzt sind es halt 40. Für andere Sportarten fehlt mir leider die Zeit. Vor kurzem hatte ich aber sehr viel Spaß, als ich im Zillertal mit dem Schlitten eine zwölf Kilometer lange Abfahrt gefahren bin.

Wie oft sind Sie noch in Ludwigshafen?

Leider bin ich nur noch drei bis vier Mal im Jahr in Ludwigshafen. Den Bezug zur Heimat vermisse ich ziemlich stark. Da KTM aber in absehbarer Zeit kein Werk am Bodensee baut, wird dies wohl leider auch so bleiben.

Ihr Lebensmotto?

Kopf hoch, auch wenn der Hals dreckig ist!

Die Fragen stellte

Markus Waibel, der mir freundlicherweise gestattet hat, seinen Artikel hier einzustellen.  Danke !!!

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